Schöne deutsche Heimat - Salzwedel


       Fabienne Winkler   (8d)

Eine Weihnachtsgeschichte

Jedes Jahr zur Weihnachtszeit legt sich ein Schleier der Stille über Salzwedel. Und mit der Stille kommt auch die Zeit der Liebe und Geborgenheit. Dies alles gab es für mich nicht mehr. Und bis zu dem Tage hatte ich auch nicht daran geglaubt, dass jemals wieder Hoffnung und Liebe in mich kehren würde.
Es war kalt, als ich langsam die Holzmarktstraße entlangging. Ich hatte wie immer keine Handschuhe an, und meine Finger wurden rot vor Kälte. Ich steckte sie in die Jackentaschen. Meine Mutter hat nie Handschuhe getragen, sie hat immer gesagt: „Deine Hände sollen doch auch spüren, dass es Winter ist.“ Ich habe nie recht verstanden, was sie mir damit sagen wollte, aber jetzt habe ich etwas, was mich an sie erinnert. Wir hatten einen Streit, es ging darum, ob ich am Wochenende zu einer Party durfte. Sie wollte es mir verbieten, aber ich ging trotzdem. Als ich wieder nach Hause kam, traf ich zu Hause auf Sanitäter und Ärzte, anstatt auf meine Mutter. Niemand konnte mir so recht sagen, was los war. Ich sah Gedanken, Bilder und sinnlose Buchstaben, die wahrscheinlich Wörter ergeben sollten, an mir vorbeirauschen. Ich hörte nichts und fühlte nichts. Leere. Es ging alles zu schnell. Mir wurde vorgeschrieben, Sachen zu packen, und wie gelähmt fing ich langsam an meine große Nike-Reisetasche mit den sinnlosesten Dingen vollzustopfen. Aber wo würde ich nun hingebracht werden? Keine Familie war in meiner Nähe, niemand. Die weiß gekleideten Männer brachten mich ins Kinderheim, auf dem Weg erfuhr ich, dass ich nun dort leben müsse. Und in meinen Gedanken immer wieder dieses eine Wort „Herzversagen“. Ich redete nicht mehr, mit niemandem. Im Heim wurde ich nach meinem Namen gefragt. Ich antwortete nicht. Meine Tasche wurde durchsucht. Scheinbar haben diese Menschen gefunden, was sie gesucht haben. Sie ließen mich gehen. Ich bekam ein Zimmer, aber schlafen konnte ich nicht. Die Zeit verging, Tage, Wochen, vielleicht sogar Monate. Ich redete mit keinem, und dann kam der Tag, an dem ich einer Familie mitgegeben wurde. Ich kam mir vor wie eine Flasche im Getränkemarkt. Kalt, ohne Gefühle und zum Verkauf gestellt. Die Frau hieß Sibylle, der Mann Hermann und der kleine Junge Tom. Im Heim wurde ihnen gesagt, dass ich Sophie hieße. Aber ich reagierte nicht auf ihre Versuche, mit mir ein Gespräch anzufangen. Die Familie wohnte in einem schönen, kleinen Haus nahe der Lorenzkirche. Sie zeigten mir mein Zimmer und ließen mich in Ruhe. Ich wollte mit niemandem reden. Bestimmt kannten sie meine Geschichte sowieso schon. Sibylle meldete mich in einer Schule an, sie hieß Comenius-Sekundarschule. Der Unterricht war langweilig, und die Leute beachteten mich nicht weiter, worüber ich auch froh war.

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